REZENSION DES SAMMELWERKS
“DAS ASYLRECHT IN EUROPA: PROBLEME UND PERSPEKTIVEN”
(IL DIRITTO DI ASILO IN EUROPA: PROBLEMI E PROSPETTIVE)
KONGRESSBEITRÄGE DES INTERNATIONALEN INSTITUTES
di FEDERICO COSTANTINI
(TRADUZIONE A CURA DI SABINE TREVISANI)

§.6.- SCHLUSSFOLGERUNG
Abschließend sei angemerkt, dass das hier besprochene Werk im klassischen Verständnis der comunità politica [78] ein geeignetes Mittel findet, um die strengsten Kritiken über den aktuellen modernen Rationalismus zu beschwichtigen.
Nur wenn die ursprüngliche politische Dimension der Person[79] berücksichtigt wird, kann die Achtung der Menschenwürde verankert werden, ohne dass diese von der Rechtsordnung geopfert wird . [80] Dies kann vorkommen, wenn die Einwanderung auf eine systemische Komponente des Globalisierungsprozesses[81]
reduziert wird oder wenn in Folge des Souveränitätsprinzips die Menschenrechte nur als die Gesamtheit aller jener Abkommen gesehen werden, welche die Erhaltung des Gleichgewichts der – wie man täglich sieht, prekären – diplomatischen Beziehungen zum Inhalt haben.
Die Kongressbeiträge vermitteln diverse Gründe zur Annahme, dass das Ergebnis der Annäherungsversuche der Europäischen Union an das Asylrecht dem Rationalismus nahe ist. Außenpolitisch und aus Gründen der Einwanderungskontrolle scheint es vorteilhaft, wenn die europäischen Institutionen die Mitgliedstaaten an eine langfristige Strategie binden. Dies führt aber zu einem unabwendbaren Dilemma: entweder wird versucht, die klassische Bedeutung des Asylrechts wiederzuerlangen und durch die Rechtsordnung seine Achtung verbindlich zu machen , [82] oder die Asylgewährung wird von zufälligen und veränderlichen Interessen abhängig gemacht.
Bei dieser zweiten Hypothese besteht die Gefahr, dass das europäische Asylrecht ein regelrechtes technokratisches System[83] darstellt, dessen Funktion ambivalent ist: es ist heute noch unklar, ob es allein die Souveränität der Mitgliedstaaten im Asylbereich vereinheitlichen wird oder ob es das Asylrecht definitiv bei den europäischen Institutionen ansiedeln will.
Das Asylrecht stellt eine Möglichkeit zur Bewertung der Mündigkeit der Gesellschaft dar. Die Rolle des Einwanderers und des Einheimischen sind sehr eng miteinander verbunden und verlangen die gegenseitige Anerkennung der Menschenwürde, wie auch der zweideutige Terminus hospes vermuten lässt. Diese von Fracanzini [84]
vorgeschlagene Metapher suggeriert, dass es Aufgabe der Bürger ist, die Beziehung mit den Migranten im Sinne der Gerechtigkeit zu regeln. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der hospes, Symbol der klassischen Gastfreundschaft, durch den Höfling ersetzt wird, eine Figur, die dem Prinzen von Macchiavelli und somit der modernen Politikwissenschaft naheliegt. Es liegt auf der Hand, dass weder die Einheimischen noch die Einwanderer verlangen können, wie hospes betrachtet zu werden, wenn sie sich selbst auf listige Weise wie Höflinge verhalten und sich nur bei eigenem Vorteil an die Normen halten, die „Heiligkeit“ der häuslichen Regeln aber verachten.

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1 Im Folgenden werden der Vollständigkeit halber Autor, Titel und Anordnung der Bei-träge des Sammelwerks angeführt: JOSÉ PUENTE EGIDO, El asilo político en la Convención eu-ropea de los derechos del hombre y el Derecho comunitario europeo, S. 9-42; MARCELLO MARIA FRACANZANI, Dall’ospitalità all’asilo: continuità e differenze, S. 43-47; GIOVANNI CORDINI, Il diritto di asilo nelle Costituzioni contemporanee e nell’ordinamento dell’Unione Europea, S. 49-104; KAY HAILBRONNER, Das deutsche Asylrecht gegenüber den Anforderun-gen des Europarechts, S. 105-118; FRANCO TAMASSIA, Il fondamento filosofico del diritto di asilo e i suoi corollari normativi, S. 119-156; ROBERTA MEDDA – WINDISCHER, Vecchie e nuo-ve minoranze: una dicotomia ancora valida? Il caso Alto Adige – Süd Tirol, S. 157-176; GILLES DUMONT, Droit d’asile et droits de citoyenneté en France, S. 177-186; CRISTINA GORTÁZAR ROTAECHE, El derecho de asilo en la Casa Común Europea (Hacia dónde vamos, de dónde venimos), S. 187-198.
2 Im Italienischen wird zwischen Diritti dell’uomo und Diritti umani differenziert, auf-grund der antithetischen anthropologischen Vision der zwei Termini. Dem Ersteren entspricht eine personenbezogene Bedeutung im klassischen Sinn, offen für die Traszendenz; der zweite Begriff führt zum modernen immanenten Individualismus, der das Souveränitätsprinzip stützt. [DANILO CASTELLANO, L’itinerario storico dei Diritti umani: epifania di una contraddizione e di una esigenza, Referat vom November 1999 in München auf einer Tagung zum Thema Das Menschenbild im Wandel der Grundrechte gehalten und veröffentlicht im Sammelwerk der Kongressbeiträge, Das Menschenbild im weltweiten Wandel der Grundrechte, Berlin: Duncker und Humblot, 2002. Die italienische Version findet sich in der Monographie von DANILO CASTELLANO, La verità della politica, Neapel: Editrice Scientifica Italiana (La Crisalide, 25), 2002, S. 119, Fn 1].
3 Um einige aktuelle und bekannte internationale Publikationen zu nennen, Vgl.: OLGA FERGUSON SIDORENKO, The common European asylum system: background, current state of affairs, future direction, L’Aia: T.M.C. Asser Press, 2007, S. 1; HEMME BATTJES, European asylum law and international law, Leida-Boston: Martinus Nijhoff Publishers (Immigration and asylum law and policy in Europe, 8), S. 5; EU immigration and asylum law: text and commen-tary, hg. von Steve Peers und Nicola Rogers, Leida-Boston: Martinus Nijhoff Publishers (Im-migration and asylum law and policy in Europe, 12), 2006, S. 3.
4 Bei genauerer Betrachtung unterscheidet man zwei Aspekte. Erstens, ob das Sakrale ei-ner Person zugeschrieben wird – als asilía bezeichnet, war es Bestandteil der ägyptisch-ptolemäischen Tradition und der griechischen Welt-, oder zweitens, die Sakralität war einem Ort zugeschrieben (CORDINI, Il diritto di asilo nelle Costituzioni contemporanee e nell’ordinamento dell’Unione Europea, cit., S. 52). Im modernen Völkerrecht wird innerhalb dieser zweiten Kategorie noch zwischen Territorialasyl und Diplomatenasyl unterschieden, auch extraterritoriales Asyl genannt, je nachdem ob das Asyl innerhalb oder außerhalb der Rechtsordnung angesiedelt wird (Ivi, S. 55). Asyl kann auch dem Grund nach erteilt werden und somit ideologischen Ansatzes sein, so wie dies die Sowjetunion praktizierte (Ivi, S. 77). Es sei hier unterstrichen, dass die gegenwärtige Definition von Territorialasyl nichts über dessen Grundidee aussagt: «Dans les présentes Résolutions, le terme "asile" désigne la protection qu’un Etat accorde sur son te rritoire ou dans un autre endroit relevant de certains de ses orga-nes à un individu qui est venu la rechercher», Art. 1 Resolution des Institutes für Internationales Recht verabschiedet 1950 in Bath (GORTAZAR ROTAECHE, El derecho de asilo en la Casa Co-mún Europea, cit., S. 194).
5 Philemon und Baucis bieten dem Zeus und Apollon ihre Gastfreundschaft an (FRACANZANI, Dall’ospitalità all’asilo: continuità e differenze, cit., S.43); Orest flüchtet zu den Thauren, während Ödipus in Athen Schutz findet (GORTAZAR ROTAECHE, El derecho de asilo en la Casa Común Europea, cit., S.189).
6 Im Rahmen des Alten Testamentes sei hier auf Kain (GORTÁZAR ROTAECHE, El derecho de asilo en la Casa Común Europea, cit. S. 189), Abraham und Sara verwiesen (FRACANZANI, Dall’ospitalità all’asilo: continuità e differenze, cit., S.44).
7 Zum ersten Mal im Jahre 441 im Konzil von Orange geregelt (GORTÁZAR ROTAECHE, El derecho de asilo en la Casa Común Europea, cit., S. 189), war in Folge das Asyl auch im Codex Iuris Canonici von 1917 – cann. 1179 – enthalten, verschwand jedoch in dem darauffol-genden. Einen Hinweis auf das Institut findet sich auch bei der Wandlung des Padre Cristoforo im Werk Manzonis I promessi sposi (CORDINI, Il diritto di asilo nelle Costituzioni contempora-nee e nell’ordinamento dell’Unione Europea, cit., S. 53).
8 FRACANZANI, Dall’ospitalità all’asilo: continuità e differenze, cit., S. 44.
9 Bereits im Alten Griechenland löste sich die Sakralität des Asyls auf und begann, politi-sche Facetten anzunehmen. Es wurden erste Ausnahmen eingeführt, wie bspw. das Begehen be-stimmter Verbrechen oder der Ausschluss bestimmter Orte (CORDINI, Il diritto di asilo nelle Costituzioni contemporanee e nell’ordinamento dell’Unione Europea, cit., S.52).
10 Beispielhaft ist hier das incipit des Werkes von Fracanzani, welches von ETTORE GALLO in Problematica di un profilo unitario del delitto politico nell’unificazione del diritto eu-ropeo, in Prospettive per un diritto penale europeo. Atti del IV convegno di diritto penale – Bressanone 1967, Padova: CEDAM, 1968, S. 347 ff. (FRACANZANI, Dall’ospitalità all’asilo: continuità e differenze, cit., S. 43) aufgenommen wurde.
11 Zuerst wurde das kirchliche Asyl 1539 in Frankreich mit dem Edikt von Villers-Cotterêts von König Franz I. abgeschafft (GORTÁZAR ROTAECHE, El derecho de asilo en la Ca-sa Común Europea, cit., S. 190). In Italien wurde das kirchliche Asyl mit dem Gesetz Nr. 1013 vom 9. April 1859, das sog. Siccardi-Gesetz, abgeschafft (CORDINI, Il diritto di asilo nelle Co-stituzioni contemporanee e nell’ordinamento dell’Unione Europea, cit., S. 54).
12 Es ist kein Zufall, dass die ersten modernen Beispiele von Asylgewährung mit Ereig-nissen zur Zeit des Absolutismus zusammenfallen. Es sei daran erinnert, dass die Hugenotten Frankreich aufgrund des Ediktes von Fontainebleau vom 18. Oktober 1685 verlassen mussten um sich in England, Holland und der Schweiz in Sicherheit zu bringen. Mit diesem Edikt hat Ludwig XIV. das bekannte Edikt von Nantes widerrufen, welches Henrich IV. am 13. April 1598 erlassen hatte. Die Anwesenheit der Hugenotten im französischen Staatsgebiet war nach dem Tolleranzedikt von Ludwig XVI. vom 7. November 1787 wieder gestattet. Kurz drauf brach eine Schreckenszeit aus. Es ist diesbezüglich bemerkenswert, dass in der französischen republikanischen Verfassung von 1793 ein ideologisches Asylrecht vorgesehen ist (GORTÁZAR ROTAECHE, El derecho de asilo en la Casa Común Europea, cit., S. 190).
13 PUENTE EGIDO, El asilo político en la Convención europea de los derechos del hombre y el Derecho comunitario europeo, cit., p. 12.
14 FRACANZANI, Dall’ospitalità all’asilo: continuità e differenze, cit., S. 45.
15 Ivi, S.46. Nach dem, was in einem anderen Werk behauptet wird, müsste man daran zweifeln, ob überhaupt in der Antike das Asyl ein subjektives Recht war. Es kann auch als Mit-tel einer – auch religiösen – Macht verstanden werden, um dessen Vorrang über die zivile Macht aufzudrängen (TAMASSIA, Il fondamento filosofico del diritto di asilo e i suoi corollari normativi, cit., S. 131).

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